Einige Betrachtungen zur Lindentracht 2017

Einführung
Sofern nicht gewandert wird oder der Wald honigt, stellt die Lindentracht bei vielen Imker_Innen die letzte schleuderbare Tracht dar. Die Linden gelten zudem zu den am besten erforschten Trachtpflanzen. Anne Maurizio, eine Schweizer Bienenforscherin (ZBF Liebefeld), machte sich auf diesem Gebiet besonders verdient und prägte den Begriff der ‚Bienenbotanik‘ nachhaltig. Das von Friedgard Schaper nach dem Tod von Maurizio erweiterte und herausgegebene ‚Trachtpflanzenbuch‘, ist immer noch eines der am besten fundierten Werke auf diesem Gebiet (1994). Nachfolgend sollen aus diesem Werk einige Besonderheiten der Linde, im Bezug auf ihre imkerliche Bedeutung, vorgestellt werden und dann anhand von Waagstockdaten aus den beiden Städten Zürich und Basel verglichen und interpretiert werden. Der Beitrag wird abgerundet durch eine Bemerkung zum Hummelsterben bei der Silberlinde.

Die Linde und ihre Eigenarten
In der Schweiz können in gewissen Jahren insbesondere die heimischen Sommerlinden (Tilia platyphyllos SCOP.), die Winterlinden (Tilia cordata MILL.), deren Kreuzungen, die Holländischen Linden (Tilia x vulgaris HAYNE) und die eingeführten Silberlinden Tilia tormentosa MOENCH) ordentlich zum Sommerhonigertrag beitragen. In den Städten, in den die Linde gerne in Baumreihen, Alleen oder auch in Pärken angepflanzt wird, kann man dem Duft der Linden im Juni kaum entkommen. Als erstes beginnt dabei die Sommerlinde (anfangs Juni und dieses Jahr in Basel aussergewöhnlich früh schon Mitte Mai, zusammen mit dem Holunder (Sambucus nigra L.)) und dann etwa 14 Tage später die Winterlinde, wobei natürlich die Höhenlage und auch das Mikroklima eine Rolle spielen (vgl. 212).

Die Linde gilt allerdings nicht als sehr zuverlässige Trachtpflanze, denn die „Nektarsekretation […] ist sehr stark abhängig von äusseren Faktoren“ vor allem der Temperatur und auch der Bodenfeuchtigkeit (213).
Bemerkenswert und an den Waagen sehr abzulesen ist, dass die Linde nicht über den ganzen Tag honigt, sondern zwei Spitzen aufweist. In der Literatur wird der erste Peak in den frühen „Morgenstunden (vor 6 Uhr)“ und der zweite „gegen Abend (16–18 Uhr)“ angegeben. Der Nektar, welcher von den Linden am Morgen ausgeschieden wird, ist dabei eher arm an Zucker und beträgt 16–27 Prozent, derjenige am Abend weist einen Zuckergehalt von 50-80 Prozent auf (212). So schreiben Maurizio & Schaper, dass „der Bienenbesuch an blühenden Linden zwei Maxima [zeigt], das eine zwischen 8 und 10 Uhr vormittags, das andere zwischen 16 und 18 Uhr nachmittags. Während den Mittagsstunden ist der Nektar oft so konzentriert, dass ihn die Bienen nicht mehr aufnehmen können“ (212f.).

Waagstockdaten
Wirft man ein Blick auf die Waagen, so kann man diese zwei Spitzen gut erkennen. Die gestrichelte, orange Linie ist das Volk aus Zürich, wobei zwischen 15 und 16 eine kleine Intervention stattfand (Abb. 1.). Unten sind die Temperatur und rel. Luftfeuchtigkeit angegeben (blaue, resp. rote gestrichelte Linie). Deutlich sieht man, dass am morgen zwischen 6 und 9 Uhr ca. ein Kilogramm eingetragen wird. In der Mittagszeit und auch am frühen Nachmittag ist es den Bienen zu heiss, erst gegen den späteren Nachmittag fliegen sie wieder aus und sammeln bis in die späten Abendstunden.

Abb. 1: Tagesvergleich der Waagen aus Basel 44:1; 44:3; 44.2 und aus Zürich 23:4 mit Temp. und rel. LF.

Dieses Muster liess sich während knapp zwei Wochen gut beobachten, wobei die Tageszunahmen mehr oder weniger starke Schwankungen aufweisen. Und das Volk aus Zürich insgesamt mehr von der Tracht profitierte. (Weil es besser an die Tracht angepasst oder die Lindentracht in Zürich besser ausfiel).

Abb. 2: Dieselben Waagen im Vergleich über zehn Tage, auch mit Temp. und rel. LF.

Interpretation
Die Angaben in der Literatur passen sehr schön zu den Waagdaten (Abb. 3).

Abb. 3: Zwei Tagesmaxima auch in den Waagstockdaten.

Das Maximum am Morgen zwischen 5:30 und 9:30 Uhr lässt sich so interpretieren, dass aufgrund der milden Temperaturen, die Bienen schon früher losziehen konnten, allerdings auch schon früher mit der Nektarsekretation Schluss war (man beachte auch die Absinkende Luftfeuchtigkeit). Am Abend scheint es genau in die andere Richtung zu gehen. Da es warm ist, können die Bienen bis in die Abenddämmerung fliegen. So genau haben die Honigbienen das Trachtpflanzenbuch allerdings nicht studiert, zumindest halten sie sich nicht genau daran :sunglasses:.

Hummelsterben beim Abblühen der Silberlinde
Gegen Ende der Lindenblüte, besonders unter verblühenden Silberlinden finden sich oftmals viele tote Insekten, vor allem Hummeln, aber auch Honig- und Wildbienen. Früher dachte man, dass die Silberlinde für Bienen und Hummeln insektenunverträgliche Zuckerarten (e.g. Mannose) enthält. Dem ist allerdings nicht so, sie enthalten Rohr-, Trauben- und Fruchtzucker, wie ihn auch die anderen bei uns üblichen Lindenarten, wenn auch durchaus in unterschiedlichen Konzentrationen, enthalten (Maurizio & Schaper 1994: 214). Der Tod der Hummeln und anderer Insekten ist neueren Untersuchungen nach, die Folge fehlender Energiereserven. Silberlinden blühen zu einem späten Zeitpunkt, in dem das Nektarangebot oft sehr spärlich ist und haben nur noch wenig Nektar zu bieten. Die Hummeln fliegen, angezogen vom betörenden Duft hin, verbrauchen aber beim Flug mehr Energie, als sie aufnehmen konnten und verhungern. Abhilfe würden hier Wildpflanzen schaffen – die leider zu oft als Unkraut (zu früh) abgemäht oder bekämpft werden. (vgl. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/insekten-und-spinnen/hautfluegler/hummeln/02636.html)

Literatur
MAURIZIO, A. & F. SCHAPER 1994. Das Trachtpflanzenbuch: Nektar und Pollen - die wichtigsten Nahrungsquellen der Honigbiene. (4., überarb., erg. und wesentlich erw. Aufl). München: Ehrenwirth.

Seit zwei Tagen blühen die Sommerlinden in der Region Basel. Man riecht sie und sieht es an den Gewichtskurven. Zudem scheint die Witterung gerade Ideal für Lindenblütenhonig :honey_pot:.
Läuse sind auch da …